Beschwerden beim Wasserlassen wirksam kurieren
Sprechen Sie bitte mit Ihrer Urologin/Urologen über die bei Ihnen vorliegenden Beschwerden beim Wasserlassen, um den Schweregrad festzustellen und die Prostata zu untersuchen. Bei geringen oder milden Beschwerden können Veränderungen im Verhalten Ihre Miktionsbeschwerden lindern.
Verzichten Sie oder verringern Sie die Menge an Koffein und Alkohol, da diese die Urinmenge erhöhen und damit Ihre Beschwerden.
Überprüfen Sie gemeinsam mit Ihrem Hausarzt und Urologen Ihre Medikamente.
Trotz Verhaltensänderungen, können sich die Beschwerden beim Wasserlassen verschlechtern und eine fortführende Behandlung notwendig machen.
Hintergrundwissen zum benignen Prostatasyndrom
Die Prostata liegt zwischen dem Blasenhals und Beckenboden. Sie hat beim gesunden jungen Mann ein durchschnittliches Volumen von 20 – 25 cm3. Abweichungen zwischen 8 und 40 cm3 sind jedoch möglich. Aufgrund des histologischen Aufbaus werden in der Prostata vier verschiedene Zonen abgegrenzt, nämlich die Transitionalzone sowie die anteriore, zentrale und periphere Zone. Die Transitionalzone liegt unter der Schleimhaut der prostatischen Harnröhre und entspricht beim Gesunden einem Volumen von ca. 5% der Prostata.
Aus bisher noch nicht abschließend geklärten Ursachen kommt es in der Transitionalzone von Männern ab der 4. Lebensdekade zur Vermehrung (Hyperplasie) von Bindegewebs-, Epithel- und/oder glatten Muskelzellen. Diese histologischen Veränderungen werden benigne Prostatahyperplasie (BPH) genannt. Die BPH führt primär zur Volumenzunahme der Transitionalzone und sekundär der gesamten Prostata.
Eine Einengung der prostatischen Harnröhre wird Blasenauslassobstruktion genannt. Bei der Blasenauslassobstruktion kommt es zu funktionellen und morphologischen Veränderungen der Harnblasenwand, u.a. zur Blasenwandverdickung durch Detrusorhypertrophie sowie Zunahme von Bindegewebe zwischen den glatten Muskelzellen, Abnahme der Blasencompliance, Zunahme von α1-Adrenozeptoren in der Blasenwand und partieller Denervierung. Symptome des unteren Harntrakts (engl.: lower urinary tract symptoms, LUTS) sind subjektive Zeichen der Krankheit oder Veränderung des Gesundheitszustandes, die vom Patienten wahrgenommen oder von dessen Angehörigen oder Pflegenden beobachtet werden. LUTS können direkte oder indirekte Folge der Prostatavergrößerung und/oder Blasenauslassobstruktion sein und werden in Blasenspeichersymptome, Blasenentleerungssymptome und Symptome nach der Miktion unterteilt.
LUTS sind unspezifisch und können außer durch Prostatavergrößerung und/oder Blasenauslassobstruktion auch durch viele andere Krankheiten der Harnblase, des zentralen oder peripheren Nervensystems, des Beckenbodens, der distalen Harnleiter oder des Darms hervorgerufen werden, ohne dass der Ursprung der Symptome immer ersichtlich ist.
Als Benignes Prostatasyndrom (BPS) wird das variable Verhältnis von Prostatavergrößerung (BPE), Blasenauslassobstruktion (BOO) und LUTS bezeichnet. Die drei Komponenten des BPS korrelieren nur schwach miteinander, sodass bei einem Patienten mit BPS nur eine einzelne, zwei oder alle drei Komponente(n) nachweisbar sein kann/können.
Abb.: Als Benignes Prostatasyndrom (BPS) wird das variable Verhältnis von Prostatavergrößerung (BPE), Blasenauslassobstruktion (BOO) und Symptome des unteren Harntrakts (LUTS) bezeichnet.
Risikofaktoren für das benigne Prostatasyndrom
In den letzten Jahren wurde eine Reihe modifizierbarer Risikofaktoren evaluiert, wobei im Folgenden vor allem auf jene eingegangen wird, welche in systematischen Übersichtsarbeiten analysiert wurden.
Bradley et al. 2017 untersuchten den Einfluss von Ernährung (28 Studien), Flüssigkeitszufuhr, Koffein, Alkohol und Nikotin auf LUTS auf der Basis von 111 Studien. Die Autoren schlussfolgerten, dass ein Zusammenhang zwischen den oben angeführten Lebensstilfaktoren und LUTS/BPE weitgehend unklar ist. Diese systematische Übersichtsarbeit wies allerdings auf einen Zusammenhang zwischen erhöhter Flüssigkeits- und Koffeinaufnahme und Miktionsfrequenz und Harndrangsymptomatik hin.
Xu et al. 2016 evaluierten den Zusammenhang von Nikotinabusus und LUTS/BPS auf der Basis von acht Studien mit 44.100 Patienten. Die Autoren fanden keinen Zusammenhang zwischen einem Nikotinabusus und LUTS/BPE bzw. dem Risiko für eine operative Intervention.
Für den Zusammenhang des metabolischen Syndroms mit dem Prostatavolumen und der Prostatawachstumsrate sprechen hingegen viele Studien.
Es bleibt aber unklar, ob auch eine Modifikation des Lebensstils (auch sportliche Aktivität) hinsichtlich des metabolischen Syndroms kurz/mittel/langfristig einen positiven, protektiven Effekt hat.
Phytotherapie – Pflanzenextrakte
Pflanzliche Arzneimittel wie Extrakte aus Sägepalmfrüchten, Brennnesselwurzeln, Kürbissamen, Roggenpollen sowie Phytosterol-haltige Präparate werden bei einer gutartige Prostatavergrößerung und dem benignen Prostatasyndrom zu einer Linderung der Beschwerden beim Wasserlassen eingesetzt. Die genaue Wirkweise der Präparate im Körper ist nicht klar. Die Präparate werden bei milden Beschwerden verabreicht und haben nur geringe Nebenwirkungen.
Phytotherapie wird bei milden Beschwerden eingesetzt.
Ein Therapieversuch sollte mit einem Urologen besprochen werden. Sowohl die deutsche als auch die europäische Leitlinie gibt aufgrund der nicht vorhandenen Studien sowie der zum Teil deutlichen Unterschiede in der Zusammensetzung der pflanzlichen Arzneimittel keine Empfehlung zum Einsatz dieser Medikamente.
Nebenwirkungen: Beschwerden des Magen-Darm-Trakts
Alpha-Blocker
Ein Alpha-Blocker (Präparate: Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin, Terazosin) ist häufig das erste Medikament, welches beim Benignen Prostata Syndrom mit milden bis schweren Symptomen verabreicht wird. Die verschiedenen Präparate sind in Ihrer Wirkung ähnlich effektiv. Durch die tägliche Einnahme werden Beschwerden bei der Häufigkeit des Wasserlassens als auch beim Wasserlassen selbst verbessert. Bei täglicher Einnahme tritt die Wirkung in aller Regel nach ein paar Wochen ein. Die Verbesserung kann bis zu 4 Jahre anhalten, bevor die Beschwerden erneut zunehmen.
Nebenwirkungen: Absenken des Blutdrucks mit Auftreten von Schwindel, retrograde Ejakulation mit Verlust des Samenergusses, bei Patienten mit Katarakt oder Glaukom sollten die Präparate nicht verabreicht werden.
5α-Reduktase-Inhibitoren
5α-Reduktase-Inhibitoren (Präparate: Finasterid, Dustarerid) führen zu einer Verkleinerung der Prostata, verbessern damit die Miktionsbeschwerden bei Männern mit milden bis starken Beschwerden und können die Notwendigkeit einer Operation verzögern. Die Medikamente wirken allerdings nicht sofort und müssen um die Wirkung zu erreichen mindestens 6-12 Monate eingenommen werden.
Einnahme mindestens sechs Monate.
Die Prostata verkleinert sich um ca. 18-28% und auch der PSA Wert verringert sich um ca. 50%. Der verringerte PSA Wert stellt aber nur eine „Labor-Kosmetik“ dar und dies muss bei der Prostatakrebs-Vorsorge mit berücksichtigt werden.
Nebenwirkungen: Sexuelle Funktionsstörungen mit Störung des Samenergusses und Impotenz, Psychische Erkankungen (Verminderte Libido, Depression, Angst). Post-Finasterid-Syndrom. Nebenwirkungen können auch nach Absetzten des Medikaments fortbestehen.
Kombination von Alpha-Blockern mit 5α-Reduktase-Inhibitoren
Aufgrund der bereits nach wenigen Wochen einsetzenden Wirkung von Alpha-Blockern und der langfristigen Verkleinerung der Prostata durch 5α-Reduktase-Inhibitoren, werden diese Medikamente häufig auch in einer Kombination verordnet (Präparate: Duodart). Insbesondere bei Männer mit einem Risiko der weiteren Verschlechterung (starke Beschwerden und große Prostata) konnte in Studien gezeigt werden, dass das Voranschreiten der Erkrankung verzögert werden kann. Eine Einnahme von mindestens 12 Monaten ist hierfür notwendig.
Nebenwirkungen: Ergeben sich aus den einzelnen Präparaten
Phosphodiesterase 5 Inhibitoren
Phosphodiesterase 5 Inhibitoren (Präparate: Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil) sind Medikamente, die klassischerweise bei einer Störung der Gliedsteife verabreicht werden. Das Präparat Tadalafil ist in der Dosierung von 5mg jedoch auch zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung zugelassen. Hierbei bessern sich die Beschwerden beim Wasserlassen. Der Harnstrahl selbst wird durch das Medikament jedoch nicht kräftiger.
„Nebeneffekt“: Verbesserung der Erektion.
Als Nebeneffekt verbessert sich auch die Erektion. Die Langzeitwirkungen auf die gutartige Prostatavergrößerung und einen Einfluss eine notwendige Operation zu vermeiden sind noch nicht bekannt. Eine Übernahme der Kosten muss mit der Krankenkasse abgestimmt werden.
Nebenwirkungen: Gesichtsröte, Sodbrennen, Kopfschmerzen. Das Medikament darf nicht bei Männern mit Herzerkrankungen verordnet werden
Muskarinrezeptor-Antagonisten
Muskarinrezeptor-Antagonisten (Präparate: Trospium, Darifenacin, Fesoterodin, Flavoxat, Oxybutynin, Solifenacin, Tolterodin) wirken am Blasenmuskel hemmend und führen zu einem reduzierten Harndrang. Sie werden bei Männern eingesetzt, bei denen die Häufigkeit des Wasserlassens eine der Hauptbeschwerden darstellt. Die Möglichkeit der Medikamenteneinnahme muss bei Restharnbildung kritisch geprüft werden. Eine zu starke Hemmung des Blasenmuskels kann zu einer Harnerhaltung führen. Insbesondere bei älteren Männern kann es zu Medikamenten-Interaktionen und damit zum Auftreten von Nebenwirkungen kommen.
Nebenwirkungen: Nebenwirkungen des Magen-Darm-Trakts (Mundtrockenheit, Verstopfung), Restharnbildung und Harnverhaltung, Tachykardie, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Vorsichtige Gabe bei schlechter Nierenfunktion, Keine Gabe bei unbehandeltem Glaukom oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Beta-3 Agonist
Wie auch die Muskarinrezeptor-Antagonisten wirkt das Präparat Mirabegron auf den Blasenmuskel mit einer Verringerung der Häufigkeit des Wasserlassens. Beta-3Agonisten sind eine Alternative zu Muskarinrezeptor-Antagonisten bei Männern mit überaktiver Blase. Insbesondere bei Männern >65 Jahre kommt es zu weniger Nebenwirkungen als bei der Einnahme von Muskarinrezeptor-Antagonisten. Auch hier muss das Auftreten von Restharn kontrolliert werden.
Ab 65+ zu empfehlen.
Nebenwirkungen: Keine Gabe bei nicht eingestelltem erhöhtem Blutdruck oder eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion, Harnverhaltung und Restharnbildung, Harnwegsinfektionen, Kopfschmerzen, Schwindel, Tachykardie
Wenn Medikamente nicht helfen
Sollten die medikamentöse Therapie nicht ausreichen, um Ihre Beschwerden zu lindern, kann eine instrumentelle Therapie diskutiert werden. Zum einen gibt es moderne und schonende Therapieverfahren (z.B. Rezum oder iTIND) mit geringen Nebenwirkungen, welche vor allem für den Erhalt der Ejakulation empfehlenswert sind. Diese Therapien sind in der Regel experimentell und nicht so effektiv wie die klassischen Therapieverfahren. Zu den klassischen Therapieverfahren zählt hingegen die transurethrale Ausschälung der Prostata (TURP) und die Laserenukleation der Prostata (HoLEP/ThuLEP).